Veranstaltungen in der Bibliothek

Die Lesung zum Film “Hüllen“

Frau Zeynelabidin wurde am Freitag, den 23. November, in unsere schöne Bibliothek Tag- und Nachteule, zu einer Lesung eingeladen. Die anwesenden Schüler und Lehrer hatten die Möglichkeit, Fragen zu dem Film „Hüllen“ und zu Frau Zeynelabidins Leben und Meinungen zu stellen.

Frau Zeynelabidin hat nach 30 Jahren das Kopftuch, das sie als gläubige Muslimin auszeichnete, abgelegt, hat sich von ihrem Mann scheiden lassen und ihren eigenen Lebensweg gefunden.

Der Film „Hüllen“ berichtet davon, lässt die Mutter, die Tochter, den Exmann, den Bruder und die Kinder und natürlich Frau Emel Zeynelabidin zu Wort kommen und erzählen, wie sie damit umgegangen sind, was sich für sie alle geändert hat.
Die Idee zu diesem Film entstand, als Maria Müller, die Regisseurin des Films, während eines Radiointerviews Emel Zeynelabidins Stimme hörte. Sie machte Maria Müller so neugierig, dass sie Emel Zeynelabidins Verwandlung als Diplomarbeit produzieren wollte, da sie an der Züricher Hochschule der Künste studierte.
Frau Zeynelabidin wurde 1960 geboren. 1961 kamen ihre Eltern nach Deutschland. 1980 wurde Emel verheiratet, es war eine Ehe, die arrangiert war, keine Liebesheirat. Emel gebar 6 Kinder, studierte Anglistik, engagierte sich als Vorsitzende im islamischen Frauenverein Cemiyet-i Nisa e. V. in Berlin. Als es 2004/05 zur Diskussion um ein Kopftuchverbot kam, veränderte sich Emels Leben. Sie begann zu hinterfragen, woran sie gelernt hatte zu glauben und zu praktizieren. Nach einer langen Phase der Auseinandersetzung, die über ein Jahr dauerte, beschloss sie, sich nicht mehr zu verhüllen, sich zu zeigen, die Bekleidungsregel nicht mehr zu befolgen. Auf das, was sich daraufhin alles änderte, wurde in der Lesung und durch die Besprechung des Films näher eingegangen.
Es wurden viele Fragen an Frau Zeynelabidin gestellt. Hauptsächlich ließen sich die Fragen in vier Hauptthemen zuordnen. Es ging um die Kinder, deren Leben nach der Trennung, Emels Leben und Meinungen und es wurden Fragen zum „Elchmann“ gestellt, die Begegnung mit einem Mann, in den sie sich das erste Mal in ihrem Leben verliebte. Zudem kam es auch zu weiteren allgemeineren Fragen und zum Thema Religion und Islam.
Nachdem Emel das Kopftuch abgelegt hatte, immer kritischer wurde und vieles zu hinterfragen begann, kam es zur Trennung von ihrem Mann. Sie zog aus, suchte eine eigene Wohnung. Eine Schülerin stellte die Frage, ob die Kinder nicht Vorrang gehabt hätten, vor dem Leben, das sie ohne sie leben wollte. Emel Zeynelabidin hatte, trotz der Scheidung von ihrem Mann, noch jeden Tag Kontakt mit ihren Kindern, von denen fünf schon älter und eines noch jünger war, noch viel Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchte. Sie hatte mit ihrem Mann eher ein kameradschaftliches Verhältnis und da sie sehr gläubig gelebt haben, handelten sie während der Trennung, wie es der Koran in der zweiten Sure vorschlägt: „Lebt in Güte zusammen oder trennt euch in Güte.“
Hätte sie im Iran oder Saudi-Arabien gelebt, so erklärte sie im Gespräch, hätte sie gar nicht daran denken können, das Kopftuch nicht mehr zu tragen. Sie hätte sich nicht verwirklichen können. Die Freiheit der persönlichen Entwicklung konnte nur in einem Land wie Deutschland stattfinden.
Nach der Begegnung mit jenem fremden Mann, in den sie sich verliebt hatte, fand sie eine witzige Erklärung für ihren inneren Konflikt zwischen Ehemann und dem fremden Mann. Der fremde Mann erinnerte sie an einen Elch, den sie 1996 bei einem Familienurlaub in Schweden begegnet war. Der Elch war ihnen mitten in der Nacht vor das Auto gesprungen, als sie auf der Suche nach ihrer Ferienwohnung waren. Sie nannte seitdem diesen Mann den „Elchmann“, nach diesem majestätischen Tier. Mit diesem entstand für sie das erste Mal in ihrem Leben ein Kennenlernprozess mit einem Mann, bei dem sie sich seelisch sehr nah fühlte. Emel begann sich mit der Liebe zu beschäftigen, die sie innerlich völlig aus der Bahn geworfen hatte. Auch der Liebeskummer blieb ihr nicht erspart, gehört er doch zur emotionalen Reifung dazu. Es war so eine tiefe Liebe, dass sie nicht nur „Schmetterlinge im Bauch hatte, sondern der ganze Brustkorb sich erwärmte und erweiterte, als hätte die Seele dort keinen genügenden Platz mehr“.
Die große Liebe hat ihr auch zu einem anderen Verständnis des Islams verholfen. Sie sagt, „ohne je richtig geliebt zu haben, ist es fast unmöglich, wirklich mit Hingabe zu glauben“.
Sie liest aus ihrem Buch „Erwachsen wird man nur im Diesseits“ ihr Verständnis vom Islam vor:

Für mich bedeutet Islam Hingabe,
nichts anderes.
Sich hingeben kann nur die Seele.
Sie nimmt den Körper einfach mit.
Liebe ist der einzige Beweis
für die Existenz einer Seele.
Wer die Liebe nicht kennt,
kennt keinen Islam.

© Emel

Durch das Weglassen des Kopftuchs und die Liebe zu ihrem „Elchmann“ hat sich die Einstellung zum Islam verändert. Frau Zeynelabidin betreibt Öffentlichkeitsarbeit, um den politisch missbrauchten Islam kritisch zu betrachten. „Vieles wird als Religion verkauft, was Aberglauben, Tradition, Fanatismus und Ideologie anbelangt“. Die islamischen Dachverbände geben vor, wie ein Muslim zu sein hat.
Auf die Frage, warum Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen sind, wieder konservative Glaubensrichtungen annehmen, antwortet sie, „dass das Gefühl, in der Gesellschaft nicht aufgenommen zu werden, viele junge Leute in die Arme konservativer Muslime treiben würde.
In der Bibliothek Tag- und Nachteule liegt der Film „Hüllen“, sowie Unterrichtsmaterial zum Film vor. Die Bücher „Erwachsen wird man nur im Diesseits“ und „Augenblicke meines Lebens“, können ausgeliehen werden.
Emel Zeynelabidin steht für Fragen gerne zur Verfügung. Wir planen eine weitere Lesung der Adolf-Reichwein- und Abendschulen.
Weitere Informationen zu der Autorin gibt es auf ihrer Homepage:
www.emelzeynelabidin.de/